21-02-17 Kommunalwahl Hungen: Wenn das Ordnungsamt mit zweierlei Maß misst
Die Bürgerliste Pro Hungen nimmt zum ersten Mal an der Kommunalwahl teil und will sicher gehen, alle Vorgaben einzuhalten. Der Antrag zur Plakatierung wurde fristgerecht gestellt und man freute sich über die vom Bürgermeister erteilte „Sondernutzungserlaubnis“ zum Anbringen von Wahlplakaten. Dort sind die Auflagen und Bedingungen klar definiert: max. 3-15 Plakate je Ortsteil, Kreuzungsbereiche müssen grundsätzlich freigehalten werden, bei Installation an Lichtmasten gilt eine Mindesthöhe für die Unterkante von 2,30 m und sollte sich bereits ein anderes Plakat am Lichtmast befinden, ist eine weitere Plakatierung untersagt.
In Vorbereitung auf die Kommunalwahl und unter Berücksichtigung der Verfügung gem. Verwaltungsgerichtsordnung machten sich die Kandidatinnen und Kandidaten der Bürgerliste Pro Hungen also auf den Weg, um geeignete Lichtmasten ausfindig zu machen. Viele Standorte scheiterten allerdings an den Auflagen, waren doch Kreuzungsbereiche freizuhalten oder die Mindesthöhe aufgrund der kleinen Laternen bauartbedingt gar nicht einzuhalten.
Bei einer Laterne in der Bitzenstraße, machten die Wahlhelfer von Pro Hungen allerdings eine kleine Ausnahme. Die Botschaft „Gemeinsam machen wir Hungen lebenswert für Jung und Alt“ passte nur zu gut in die Zufahrtsstraße zum Seniorenzentrum. Und immerhin befindet sich der Laternenmast nicht auf dem Gehweg, sondern vor einem Baum, abgetrennt durch Pflastersteine – wer sich hier trotz unterschrittener Mindesthöhe am Plakat stoßen würde, wäre ohnehin gestolpert und an den Baum gelaufen. Von daher erhoffte man sich eine „Ausnahmegenehmigung“ vom Ordnungsamt.
Aber das Ordnungsamt blieb hart und schrieb den Verantwortlichen von Pro Hungen, dass dieser Standort nicht beibehalten werden kann „da eine Mindesthöhe von 2,30 m eingehalten werden muss, was natürlich nicht an allen Standorten möglich ist“. Dementsprechend müsste „eine andere Örtlichkeit dafür gewählt werden“ und die Wahlhelfer der Bürgerliste hängten das Plakat wieder ab.
Doch mit großer Verwunderung musste Pro Hungen feststellen, dass sich seit kurzem eine ganze Reihe von Wahlplakaten „auf Augenhöhe“ an Laternen befinden, teilweise sogar mitten auf dem Gehweg als Bodenaufsteller positioniert wurden und für Kinderwagen wie Rollstuhlfahrer kein Vorbeikommen mehr ermöglichen. Auch die Kreuzungsbereiche sind vor lauter Plakaten an öffentlichen Zaunanlagen unübersichtlich geworden und die Verkehrsteilnehmer müssen sich entscheiden: Lesen sie lieber die Botschaften der Parteien oder schauen sie auf den Verkehr von rechts und links? Trotz Mitteilung und Nachfrage beim Ordnungsamt hat sich an diesem Zustand seit zwei Wochen nichts geändert und mündlich wurde mitgeteilt, dass der Bürgermeister von einer Durchsetzung der eigenen Auflagen absehen möchte. Zu allem Überfluss missachteten die Freien Wähler und die AfD gar die untersagte „Doppelplakatierung“ und überhängten einfach die Plakate von Pro Hungen - diese Doppelplakate wurden zwischenzeitlich nach Androhung rechtlicher Schritte wieder entfernt.
Besonders stößt den Verantwortlichen allerdings ein Plakat auf: Das an der Bitzenstraße. Denn dort, wo das Ordnungsamt der Bürgerliste Pro Hungen die Ausnahmegenehmigung versagte und ein Abhängen verlangte, thront jetzt das Plakat der Freien Wähler. Jener Wählervereinigung, die als Spitzenkandidat Bürgermeister Wengorsch ins Rennen geschickt haben, was von vielen Seiten bereits als „Scheinkandidatur“ und „Wählertäuschung“ angeprangert wurde – dürfte der amtierende Bürgermeister seine Wahl zum Stadtverordneten doch gar nicht annehmen und seine Wählerstimmen auf unbekanntere Kandidaten übertragen, die gar nicht gewählt wurden.
Bereits diese Spitzenkandidatur bei den Freien Wählern hat Zweifel an der Überparteilichkeit und Einhaltung der Neutralitätspflicht als Amtsträger ausgelöst. Dass nun aber das Ordnungsamt angewiesen wird, die offensichtliche Missachtung der von ihm als Bürgermeister aufgestellten Auflagen und Bedingungen bei manchen Wählergruppen zu tolerieren und bei anderen durchzugreifen, könnte man sicherlich auch als Eingriff in den Wahlkampf verstehen. Um diesen Verdacht gar nicht erst weiter aufkeimen zu lassen, erwartet Pro Hungen „gleiche Regeln für alle“. Die Bedingungen der Sondernutzungserlaubnis waren immerhin allen Wählergruppen bereits im Dezember und Januar mitgeteilt worden, so dass die nun unterschiedlich gehandhabte Durchsetzung den Eindruck von Behördenwillkür erweckt.