21-02-11 Wahrheit, Klarheit und Offenheit zum „Darmstädter Hof“

Es wurde in den letzten Monaten viel diskutiert über das mit 3,1 Millionen Euro Sanierungskosten teuerste Einzelprojekt der geplanten Kernstadtsanierung. Insbesondere Bedenken zum Schallgutachten bzgl. Lärmschutz der Anwohner und offene Fragen zur Finanzierung der laufenden Kosten – allen voran geplante Mietzahlungen von jährlich 15.000 EUR zzgl. Nebenkosten – bestimmten die öffentliche Diskussion.

„Bürgermeister Wengorsch informiert die Ausschussmitglieder, dass das Projekt nicht weiterverfolgt wird“ – so las es mit Erstaunen der Spitzenkandidat der Bürgerliste Pro Hungen, Fabian Kraft, im Protokoll der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 21.01.2021.

In der Tat erkundigte sich Stadtverordneter Bernshausen während dieser Sitzung nach dem aktuellen Sachstand zum Darmstädter Hof und erhoffte sich Wahrheit, Klarheit und Offenheit von Bürgermeister Wengorsch. Denn zu diesem Zeitpunkt gab es bereits Gerüchte, dass das teuerste Projekt der Kernstadtsanierung längst abgesagt wurde.

Doch anders als im Protokoll vermerkt, gab es keine offenen und ehrlichen Worte hierzu. Das war auch der Bürgerliste Pro Hungen bekannt, denn diese besuchte ebenfalls die HFA Sitzung und führte ein eigenes Protokoll. Demnach antwortete Bürgermeister Wengorsch gar nicht auf die Anfrage, sondern nahm diese lediglich zur Notiz und kündigte eine Antwort in einer der nächsten Sitzungen an. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt im Rathaus längst bekannt, was der städtische Protokollant anschließend – wohl als eine Art Freudscher Versprecher – schriftlich niederlegte: Das Projekt wird nicht weiter verfolgt.

Eine Anfrage beim Stadtverordnetenvorsteher, der seinerseits den Protokollant und die Ausschussvorsitzende befragte, bestätigte das „falsche“ Protokoll. Auf Antrag von Bürgermeister Wengorsch soll das Protokoll nun in der nächsten Sitzung „korrigiert“ werden: Die Klarheit und Offenheit verschwindet damit aus der öffentlichen Niederschrift. Aber die Projektabsage wurde mittlerweile vom Investor bestätigt und bleibt öffentlich, nachzulesen in der Berichterstattung der Gießener Allgemeinen. Das HinterHofTheater gab allerdings bekannt, gar nicht abgesprungen zu sein und wurde Ende Dezember von den Planänderungen des Eigentümers – mitgeteilt durch die Stadt Hungen - selbst überrascht. Wieso die Stadtverordneten diese Entwicklung nun jedoch aus der Zeitung erfahren mussten und trotz konkreter Nachfrage nicht im Haupt- und Finanzausschuss, wird Bürgermeister Wengorsch sicherlich noch erklären müssen – auch wenn er dazu gegenüber der Presse keinen Kommentar abgeben wollte. Es bleibt wohl dabei, was schon Bertolt Brecht einst schrieb: Die Wahrheit ist das Kind der Zeit, nicht der Autorität.

Aber auch die Ausschussmitglieder werden sich die Frage gefallen lassen müssen, wieso diese Ungereimtheit nicht bereits während der Offenlage des Protokolls bekannt wurde, sondern erst nach Veröffentlichung im Ratsinformationssystem und durch Hinweis der Bürgerliste Pro Hungen. Diese setzt sich auch bei der Kommunalwahl für mehr Transparenz und eine offenere Kommunikation der Verwaltung ein.

Links zur Berichterstattung:

Giessener Allgemeine, 07.02.2021: "Kein interkulturelles Begegnungszentrum für Hungen"

Giessener Allgemeine, 10.02.2021: HinterHofTheater: »Wir waren bereit und sind es noch«