Stellungnahme zu Zeitungsbericht bzgl. Hungener Drehleiter
In einem Zeitungsbericht der Giessener Allgemeinen vom 05.10.2020 schrieb die Redaktion bzgl. eines Wohnhausbrands in Villingen: „Hätte es in Hungen noch eine Drehleiter gegeben, wäre diese nach wenigen Minuten vor Ort gewesen. So dauerte es länger, bis das Spezialfahrzeug aus Lich eintraf und der Brand ‚auf Augenhöhe‘ bekämpft werden konnte. Das Haus war danach unbewohnbar, der Schaden ging in die Hunderttausende.“ - Diese Behauptung ist fachlich und sachlich falsch.
Laut Einsatzprotokoll wurde der Notruf um 14:07:16 Uhr abgesetzt, aufgrund der Alarm- und Ausrückeordnung der Stadt Hungen zu diesem Zeitpunkt aber gar keine Drehleiter angefordert. Hintergrund ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Hausbrand, sondern ein Gartenhüttenbrand gemeldet wurde.
Die ersten Feuerwehrfahrzeuge der freiwilligen Feuerwehren aus Villingen und Nonnenroth erreichten nach 7 Minuten um 14:14:23 Uhr den Einsatzort und begannen umgehend mit den Löscharbeiten, der Einsatzleitwagen aus der Kernstadt Hungen erreichte nach 11 Minuten um 14:18:46 Uhr den Ort des Geschehens, sah aber ebenfalls noch keine Veranlassung für die Anforderung einer Drehleiter. Erst weitere 6 Minuten später wurde um 14:24:28 Uhr die Drehleiter aus Lich angefordert, da die Flammen drohten auf das Wohnhaus überzugreifen - was bedauerlicherweise auch geschah. Aber auch als die Drehleiter um 14:40:10 Uhr (ca. 15 Minuten nach der Alarmierung) aus Lich in Villingen eintraf, waren deren Möglichkeiten begrenzt: Die Ausbreitung der Flammen von der Gartenhütte auf das Haus erfolgte an der straßenabgewandten Seite im Garten, also ohne Zufahrtsmöglichkeit für die Drehleiter, so dass diese nur auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Hof aufgestellt werden konnte. Die Flammen breiteten sich indes im Erdgeschoss des Hauses, im ausgebauten Dachgeschoss und im Spitzboden unterhalb der Dachziegel aus, wie die Fotos der Feuerwehr Lich im Einsatzprotokoll dokumentieren.
Der späte Einsatz des Spezialfahrzeugs aus Lich zur Bekämpfung der Flammen „auf Augenhöhe“ (was aufgrund der fehlenden Zufahrtsmöglichkeit ohnehin nicht möglich war) wie von der Redaktion geschrieben, beruhte demnach nicht auf der Stationierung der Drehleiter in Lich, sondern der späten Anforderung erst 17 Minuten nach dem Notruf.
Pro Hungen geht davon aus, dass auch bei einer anderen Einschätzung der Lage und früheren Alarmierung der Drehleiter sich nichts an der Schadenshöhe und Unbewohnbarkeit des Hauses geändert hätte und distanziert sich von dem inhärenten Vorwurf der Redaktion, dass das späte Eintreffen der Drehleiter zu diesem Schadensausmaß geführt hat. Diese Anschuldigung würde nämlich nicht die Stationierung der Drehleiter in Lich, sondern die Einschätzung der Einsatzleitung der Hungener Feuerwehr vor Ort betreffen. Pro Hungen ist sich jedoch sicher, dass die Feuerwehren vor Ort jederzeit nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen zum Wohl der Bürger treffen und die Dynamik einer solchen Brandsituation nicht immer vorhersehbar ist.
Es zeigt sich jedoch, wie wichtig die ständige Einsatzbereitschaft der Feuerwehr und insbesondere der dezentralen Standorte der freiwilligen Feuerwehren in den Ortsteilen ist. Diese warten dringend auf die Finanzierungszusage wichtiger Projekte und hätten nach Meinung von Pro Hungen die 50.000 EUR als städtischen Zuschuss wohl effizienter einsetzen können als für die Anschaffung einer laut Beschlussfassung unnötigen Drehleiter. Denn der Kaufpreis von 65.000 EUR (davon 15.000 EUR Kostenübernahme durch den Feuerwehrverein Hungen) für die mittlerweile erworbene 20 Jahre alte Drehleiter aus dem Ausland entpuppt sich für Hungen bereits nach der Überführungsfahrt nicht als „Schnäppchen“, sondern eher als die „Katze im Sack“. Denn obwohl Bürgermeister Wengorsch von „überschaubaren Kosten“ der Unterhaltung ausgeht und von einer „Vollabnahme über zehn Jahre“ spricht, ist die Neuanschaffung der Hungener Feuerwehr bereits bei der ersten Fahrt mit einem Schaden auf der Autobahn liegen geblieben und verursachte am Freitag, den 02. Oktober ein stundenlanges Verkehrschaos mit über 3 Km Stau auf der A5 am Frankfurter Westkreuz, wie der Hessische Rundfunk berichtete.
Ob die Drehleiter nach erfolgter Reparatur zudem schnell in den Dienst gestellt werden kann wie angekündigt, ist ebenso unklar: Aufgrund der Herkunft von einer Betriebsfeuerwehr aus dem Nicht-EU Ausland, muss diese für den Einsatz bei einer deutschen Feuerwehr erst noch zugelassen werden und bedarf mitunter auch technischer Anpassungen aufgrund abweichender Normen.
Um den Kauf der gebrauchten Drehleiter für die Öffentlichkeit transparent zu machen, wird die städtische Verwaltung daher aufgefordert weitere Detailfragen zu beantworten, eine entsprechende Anfrage wurde an die Verwaltung gestellt:
1) Sind die genannten 65.000 EUR Kaufpreis inkl. Überführung, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer (ca. 20.000 EUR) oder kommen diese Kosten zusätzlich auf die Stadt zu? Falls ja, wie hoch sind die Nebenkosten insgesamt und wo findet sich diese Position in der Haushaltsplanung, in der lediglich 50.000 EUR für die Neuanschaffung ausgewiesen sind?
2) Wie hoch waren die Abschlepp- und Reparaturkosten aufgrund des Defekts bereits während der Überführungsfahrt und wer kommt dafür auf? Ist dies ein Versicherungsfall oder zahlt hier ebenfalls die Stadt Hungen?
3) Welche Kosten verursacht die Anpassung an EU Normen und Zulassung der Drehleiter für den Einsatz bei der Hungener Feuerwehr und gibt es ein Rücktrittsrecht vom Kauf, falls der Drehleiter die Zulassung versagt wird?
Pro Hungen stellt abschließend klar, dass die Kritik nicht den Standort einer Drehleiter in Hungen betrifft. Eine im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit angeschaffte und gemeinsam finanzierte Drehleiter auf dem aktuellen Stand der Technik mit Standort in Hungen wird begrüßt, wenn dies im Einklang mit den anderen Kommunen beschlossen wird. Aber das einseitige Ausscheren einer einvernehmlichen Übereinkunft mit anderen Kreisfeuerwehren und die parallel zu gemeinschaftlich finanzierten Drehleitern getätigte Anschaffung einer eigenen 20 Jahre alten Drehleiter aus dem Ausland mit entsprechend hohen Wartungs- und Reparaturkosten kann unter diesen Umständen nicht unterstützt werden. Pro Hungen sieht sich durch den Vorfall auf der Überführungsfahrt darin bestätigt, dass die über 50.000 EUR im Rückblick auch von anderen Seiten als Fehlinvestition angesehen werden und dadurch an anderer Stelle fehlen werden.