21-01-19 Pro Hungen fordert öffentliche Haushaltsdebatte auch per Videostream

Die Hessische Gemeindeordnung sieht vor, dass die Haushaltssatzung spätestens einen Monat vor Beginn des Haushaltsjahres der Aufsichtsbehörde vorgelegt werden soll, vorher aber im Finanzausschuss der Gemeindevertretung eingehend behandelt und von der Gemeindevertretung in öffentlicher Sitzung beraten und beschlossen werden muss. Das ist in Hungen bisher nicht der Fall, es greifen daher die Regelungen zur vorläufigen Haushaltsführung als sogenannter „Nothaushalt“.

Der Entwurf der Haushaltssatzung der Stadt Hungen für das Haushaltsjahr 2021 wurde seitens Bürgermeister Wengorsch zwar am 05.11.2020 in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, aber seither haben sich weder der Haupt- und Finanzausschuss noch die Ortsbeiräte oder die Stadtverordnetenversammlung öffentlich mit diesem so wichtigen Themenkomplex befasst. Ganz im Gegenteil, wurden die letzten Sitzungsrunden aufgrund der hohen Corona Inzidenzwerte im Landkreis gänzlich abgesagt und stattdessen ein „Notausschuss“ gem. §51 HGO gebildet, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen und als dringende Angelegenheit auch den Haushalt und Steuererhöhungen behandeln dürfte.

Pro Hungen fordert die Stadtverordneten dazu auf, trotz widriger Umstände eine öffentliche Debatte über den Haushaltsplan zu führen und diesen nicht hinter verschlossenen Türen zu beschließen. Die Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Hungen ermöglicht die Internetübertragung der Sitzungen als Live-Stream und es ist nicht nachvollziehbar, wieso auch knapp ein Jahr nach den ersten Kontakt- und Ausgangssperren noch immer keine politische Teilhabe in Hungen „von zu Hause aus“ ermöglicht wird. Die Hungener Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, die Debatte und Argumente der Stadtverordneten auch ohne persönliche Anwesenheit zu verfolgen – immerhin sind sie von den finanziellen Auswirkungen der politischen Entscheidungen unmittelbar betroffen.

Insbesondere im anhaltenden Lockdown mit finanziellen Einbußen für nahezu alle Einwohner in Hungen, vor allem verbunden mit hohen Belastungen für Familien und Gewerbetreibende, muss eine Planungssicherheit und finanzielle Entlastung im Jahr 2021 gegeben sein.

Die für das Jahr 2020 beschlossene höchste Steueranhebung im Landkreis Gießen auf 440 % Gewerbesteuer und 470 % Grundsteuer B wurde explizit auf 12 Monate begrenzt und trotzdem ohne jeglichen Kommentar seitens Bürgermeister Wengorsch bei der Haushaltseinbringung im Haushaltsplanentwurf für 2021 fortgeschrieben. Es liegt in der Hand der Stadtverordneten und allen voran der Hungener CDU mit Fraktionsvorsitzendem Norbert Marsfelde, nun ihr Wort zu halten. Immerhin war es ein Antrag der CDU Fraktion, die Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer für das Haushaltsjahr 2020 per Beschluss auf ein Jahr zu befristen – dieser wurde im Haupt- und Finanzausschuss mit 8 Ja-Stimmen bei 1 Enthaltung angenommen, wie im Protokoll nachzulesen ist.

Es ist nicht nachvollziehbar, wieso dieser Beschluss bisher ebenso ignoriert wurde wie der Antrag der SPD Fraktion durch ihren Vorsitzenden Christoph Fellner von Feldegg, der die Einrichtung einer Arbeitsgruppe Haushalt im Vorfeld der Haushaltsberatung anregte, um rechtzeitig vor Feststellung des Magistrats die Eckpfeiler des Haushaltes 2021 gemeinsam zu erörtern. Aber auch in diesem Jahr entstand der Haushaltsplanentwurf im „Hungener Elfenbeinturm“ - von der bereits 2011 angekündigten Einführung eines Bürgerhaushaltes weiterhin keine Spur.

Pro Hungen plädiert - auch angesichts des großzügigen „Corona-Finanzausgleichs“ vom Land Hessen für die Hungener Stadtkasse in Höhe von 3,39 Millionen EUR - zu einer Rückkehr der seit Jahren bewährten Hebesätze von 400 % für die Gewerbesteuer und Grundsteuer B sowie einheitlich auch 400 % bei der Grundsteuer A. Die Bürgerinnen und Bürger Hungens, ob Eigenheimbewohner oder Mieter, wurden bereits 2020 aufgrund der Grundsteuererhöhung enorm belastet und haben in der schwersten Wirtschaftskrise mit der höchsten Kurzarbeitsquote seit 2009 bereits einen schmerzlichen Beitrag für den kommunalen Haushalt geleistet.

Es liegt in der Verantwortung der Stadtverordneten, mit diesen Steuergeldern verantwortungsvoll umzugehen und die Projekte im Haushaltsplanentwurf für 2021 vor dem Hintergrund der anhaltenden Corona-Pandemie samt ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen kritisch zu hinterfragen und Prioritäten zu setzen, um einen ausgeglichenen Haushalt auch ohne erneute Steuererhöhung vorzulegen.

Quellen: Haushaltsrede 2021 vom 05.11.2020, Protokoll HFA Sitzung 30.01.2020, Protokoll SVV 05.02.2020, Geschäftsordnung SSV Hungen